Biveroni's Reisegrüsse (einige Reisen, vor allem die ersten warten noch auf ihre Publikation)

Südliches und östliches Rajasthan

Ranakpur - Udaipur - Jaipur – Agra

Es ist Holi als wir Jodhpur auf Schleichwegen verlassen um einer Einfärbung zu entgehen. Jon's weisse Haare wären sonst jetzt noch knall-rot, -gelb oder -violett!

Wie die Miniatur rechts zeigt, ist es ein alter Brauch. Zum Frühlingsanfang beschmeisst man sich mit Puder in den grellsten Farben. Es ist ein ausgelassenes, fröhliches Fest. Lustig, dass gleichzeitig Ostern ist bei uns, wo Eier bunt bemalt werden.

Die herrlichen marmornen Jain Tempel von Ranakpur.

Interessant beim Jainismus ist, dass diese Religion sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Buddhismus aufweist. Der Gründer, Vardhamana Mahavira, lebte etwa zur gleichen Zeit wie der historische Gautama Buddha. Auch er entsagte dem Reichtum des Königshofs und wendete sich der Askese zu.

Auch er lehrte Gewaltlosigkeit und Methoden, um dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten und des Leidens zu entfliehen und das Nirvana zu erreichen.

Frappant die praktisch identischen Stellungen der Mahaviras und der Buddhas!

Doch im Gegesatz zum Buddhismus, der die halbe Welt eroberte, ging der Jainismus fast unter (vor allem während den Islamischen Eroberungen im frühen Mittelalter). Nur noch ein %-Bruchteil der Inder sind Jains.

Wieder einmal haben wir es mit Affen zu tun! Wie menschlich sie dasitzen mit ihren langen Schwänzen! Erwartungsvoll schauen sie, ob es etwas zu Essen gibt; das sind sie sich von den Indern gewohnt, denn sie sind ja heilig (die Affen, nicht die Inder). Leider, leider haben wir nichts dabei. Einer will sich davon versichern und schwingt sich beinahe in die Führerekabine.

Eine kleine Irrfahrt durch die Aravalli Berge bringt uns zum mächtigsten Fort, das wir je gesichtet haben, dem Kumbalgarh. Es wird behauptet, das Gemäuer sei das zweitgrösste Bollwerk der Welt nach der Chinesischen Mauer.

Doch, oh Schreck, wegen den Holi-Festtagen, hat sich eine Riesenautoschlange vor dem Eingangstor gebildet.

Angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit machen wir rechtsumkehrt, denn wir haben jetzt gerade keine Lust, für Fotos mit Indischen Ausflüglern zu posieren.

Je karger die Gegend desto schöner kommen die farbigen Blüten und die bunten Kleider der Frauen zur Geltung. Selbst nicht so hübsche und nicht so junge Frauen sehen in ihren Gewändern sehr anmutig aus – solange sie nicht dick sind.

Nasen-Piercing gabs hier schon seit langem …

Dieser Mann mäht ein Feld neben unserer Unterkunft. Von Hand mit Sichel, macht er schöne kleine Garben, bereit für den Abtransport zum Dreschen (ohne Maschine). Foto oben am ersten Tag unseres Aufenthaltes, Foto links, zwei Tage später bei unserer Abreise.

Freunde haben uns gefragt, wie wir zurecht kommen mit der Armut, dem Elend, das in Indien herrscht, und ob wir uns sicher fühlen.

Ja, wir haben oft verglichen zwischen den Eindrücken unserer ersten Indienreisen 1977 mit VW Bus und der Rucksackreise 1980 und jetzt.

Damals war die Armut überall augenfällig. Es gab Tote in Strassengräben, die niemand, ausser Geier und Krähen, beachtete, es gab Hungernde, Sterbende auf den Strassen, viele Menschen schliefen nachts auf den Trottoirs und Verkehrsinseln eng aneinander gepfercht, es gab viele Bettler, vor jedem besseren Restaurant sassen sie.

Schwerarbeit leistende Frauen in Sahris auf Baustellen waren an der Tagesordnung. Die hygienischen Verhälnisse waren oft katastrophal.

Für uns angenehm: Es gab nur spärlichen motorisierten Verkehr, besonders Überland, dafür viele Karren, Fahrräder, Rikshas.

Damals fühlten wir uns extrem sicher, wir erlebten Indien als ein Land ohne Kriminalität.

Seither hat Indien eine wahre Revolution erlebt. Existenzielle Armut beobachten wir nur noch selten; man hat das Gefühl, dass alle genug zu essen haben und ein Zuhause. Fast jede Famile hat TV, viele ein Motorrad und fast jeder und jede hat ein Mobiltelefon. Die Stellung der Frau hat sich enorm verbessert.

Es ist bedenklich, wie die Medien unser Weltbild verzerren; wenn hier etwas Schlimmes passiert, dann haben wir das Gefühl, dass 'ganz Indien' gefährlich ist. Man blendet völlig aus, dass hier gegen die 1.3 Milliarden Menschen friedlich neben- und miteinander leben.

Ja, und sicher fühlen wir uns auch jetzt noch. Die Kriminalität ist gewiss gestiegen, das ergibt sich allein aus der Überbevölkerung heraus. Es ist jedoch unglaublich, wie freundlich, 'relaxed' und hilfsbereit die Leute sind, nichts ist ein Problem. Auch treffen wir viele Westlerinnen an, die alleine in Indien herumreisen - ohne Probleme!

Die Frage nach dem Zurechtkommen mit den Kontrasten zwischen dem Reichtum und der Armseligkeit ist schwierig zu beantworten. Jedenfalls kommt man nicht darum herum wenn man mit offenen Augen reist. Sicher ist, dass die Relationen, die wir daheim zu haben pflegen, immer wieder auf heilsame Weise zurecht gerückt werden.

Hat etwas an sich der Vergleich mit der Cinesischen Mauer …

Udaipur: Lange haben wir davon geträumt, diese besondere Stadt Rajastans zu sehen!

Sie ist Umkehrpunkt dieser Reise; von nun an geht es nur noch nord-ostwärts.

Einzigartig ist Udaipurs Lage an einem künstlichen See. Die hiesigen Maharajas haben sich über Generationen hinweg mit dem Bau und der Erweiterung von mehreren Seen verdient gemacht. Auch der enorme Palast (links) wurde über hunderte von Jahren erweitert. Nun beherbergt er ein 'unendliches' Museum und ein Luxushotel.

Wer kennt den James Bond Film 'Octopussy' nicht! Die heissen Szenen im Insel-Lustschloss (unten) vergisst man kaum. Jon träumte davon, wenigstens eine Nacht hier zu verbringen, doch 'no way' - schlicht viiiiel zu teuer!

Auch hier ein Hauch von Venedig, auch was das Essen anbelangt!

Die Maharajas (Grosse Könige), hier auch Maharanas (Grosse Krieger) genannt, beriefen sich auf ihre Abstammung von einem 'Sonnengott' (links), ein bewährtes Rezept, um Macht zu rechtfertigen und auszuüben!

Auch pflegten sie sich gegen Gold aufwiegen zu lassen, das dann unter dem Volk verteilt wurde. Die 'Message' ist klar: Je fetter der König, desto besser geht's dem Volk.

Unermesslich scheint ihr Reichtum gewesen zu sein, sagenhaft die prächtigen Gemächer und Audienzsäle.

Ein trauriges Kapitel spiegelt sich in den zahlreichen Jagddarstellungen im Museum wider; die Tiger (und viel anderes Wild) wurden zu hunderten aus reinem Vergnügen abgeschlachtet.  Durch Köder und Treibjagd  konnten die Maharajas nur noch abdrücken. Nun gibt es fast keine Tiger mehr, und man bemüht sich, die Population in den Nationalparks wieder zum Wachsen zu bringen.

Staunend besuchen wir die weltgrösste private Kristallsammlung:

1877 bestellte Maharana Sayan Singh (links) in England eine üppige 'Aussteuer' aus purem Kristall; Kristallbett, Kristalltische, Kristallstühle, …

Er war ein Förderer der schönen Künste, ein Ästhet. Leider starb er als junger Mann, die Lieferung der Kristallwaren erlebte er nicht mehr.

Wie war dieser Prunk möglich?

Mit Col. James Todd (rechts) übernahm Grossbritanien 1818 definitiv die Kontrolle über ganz Indien. Die Engländer waren die ultimativen Herren im Lande, doch an ihrer Seite liess man diese Vasallen regieren, die Gutes taten, sich jedoch auch ein prunkvolles Leben leisten konnten.

Etwas für Oldtimer Fans: Der letzte Maharana von Udaipur nimmt (in den 60er Jahren?) mit seinem Rolls Royce am Udaipur Rallye teil.

Eine märchenhafte Unterkunft unterwegs nach Jaipur: Viele ehemalige Rajas können ihr Anwesen nicht mehr unter- halten, sodass sie sie zu Hotels umnutzen.

Pushkar ist ein bedeutender Hindu Pilgerort (Brahma Tempel) und Hippie Zwischenstation zwischen Goa und Kathmandu. Drogen werden gehandelt. Wir fühlen uns nicht wohl in dieser Gesellschaft.

Links: Ein Kamelführer wartet auf Kundschaft.

Rechts: Dieser Sadhu geht stumm und unermüdlich hin und her, 50 Meter hin, 50 Meter her, hin und her, hin und her, hin und her, hin und her, hin und her, hin und her, …

In Jaipur schliesst sich ein Kreis unserer Reisen. Wir fahren noch einmal am berühmten Windpalast vorbei, frischen Erinnerungen an 1977 und 1980 auf.

Es ist zwiespältig, Orte, die man in guter Erinnerung hat, wieder aufzusuchen. Oft kann man sich einer gewissen Enttäuschung nicht erwehren.

Doch wir führen uns vor Augen, dass es das letzte Mal ist, dass wir hier an diesen einzigartigen Orten sind, und atmen alles nochmals tief ein.

Zurück zu den Bemerkungen am Anfang dieses Berichtes:

Jaipur ist ein grosse Stadt und da gibt's auch Armut.

Die Frau links wäscht auf dem Trottoir vor der Verkehrs- ampel.

Daneben säugt eine Frau ihr Baby unter der Stoffplane. Nicht auszudenken, wie es ist, wenn es 45 Grad und heisser wird.

Was soll man tun?

Kristallbett und Kristalltisch

Eine Art Prozession (wir haben bis jetzt nicht heraus- gefunden, was es war) Dutzende von Kilometern lang, mit Megalärm aus Megalautsprechern – Indian Streetparade.

Nun ist unser Indien Hunger langsam gestillt, genug des Lärms, der Menschenmassen, des Gehupe auf den Strassen, der Hitze. Das Indische Essen hingegen werden wir vermissen.

Rajastan war absolut faszinierend – doch man soll aufhören, wenn's am Schönsten ist.

Das Tüpfli uf em 'i' erhoffen wir uns vom Taj Mahal in Agra – trotz des 'déjà vu' Effekts. Er bildet den vorläufigen Schlusspunkt dieser Reise. Nachher geht's direkt nach Kathmandu weiter, wo Tom wieder auf uns warten muss.

Als wir vor bald 40 Jahren hier standen, waren wir fast alleine und dieser Anblick verschlug uns glatt den Atem; wie ein Diamant tauchte dieses unwirkliche Bauwerk aus Marmor unter dem Eingangstor vor uns auf!

Auch dieses Mal verfehlt das wunderbare Grabmal mit seinen perfekten Proportionen seine Wirkung nicht. Für uns bleibt das Taj Mahal das schönste Bauwerk der Welt!

Das Taj Mahal zieht die Touristen an wie das Licht die Motten!

Herzliche Grüsse aus Agra, Jon & Regula

Falls jemand genauer hingucken sollte; drei Türme sind leider eingerüstet zwecks Reinigung.

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